Paris, St. Pauli und das Stadtgrün

Verkehrswende in der Seine-Metropole: Mensch, hast Du Dich verändert!

Paris verändert sich seit 2014 mit der Verkehrswende rasant: Nur mit der sauberen Seine hat es noch nicht ganz geklappt. Im Bild: Schlammwasser mit Blick auf die Seine-Insel Ile de Saint-Louis  



17 Jahre nach meinem letzten Besuch in Paris sind die

Spuren, die der Politikwechsel nach dem Amtsantritt 2014 der Bürgermeisterin Anne Hidalgo in der ehrwürdigen Stadtstruktur bereits hinterlassen hat, unübersehbar – Stichwort Verkehrswende. Die Bewerbung der Stadt um die Austragung der Olympischen Spiele 2024 hat diese Entwicklung nochmals beschleunigt – wohlgemerkt in einer Stadt, in der Radfahrer bis zum Jahr 1982 auf ihren allerersten Radweg warten mussten!

 

Zahlreiche kleinere und vor allem enge Straßen wurden für den Durchgangsverkehr gesperrt und teilweise als Fußgänger- und Radverkehrszonen umgestaltet und teilentsiegelt, Fahrradrouten (wenn häufig auch als ziemlich schmale Streifen) vielfach zu Lasten von Fahrstreifen eingerichtet.


 

Umbau der Rue d'Orsel im 18. Arr.: Diese Straße war zwar auch schon 'vorher' eine beruhigte Straße - die nach dem Umbau jedoch teilentsiegelt ist. Für Baumpflanzungen wurde die Straßenbreite als nicht ausreichend eingeschätzt. Wermutstropfen: Das schöne Natursteinpflaster wurde nicht wiederverwendet


Die Seine-Ufer sind nun weitgehend autofrei und eine so prominente Straße wie die Rue de Rivoli, die im 1. Arrondissement entlang des Louvre und des Rathauses führt, musste zwei Spuren an den Radverkehr abgeben, der Pkw-Verkehr wurde auf eine Einbahn-Spur gestutzt. 


Viele Radfahrer sind auf diesen neuen Radfahrstreifen Anfang Januar und trotz Sonnenschein und -2 Grad nicht unterwegs – auf jeden Fall aber führen die Maßnahmen auch in dieser besucherschwächeren Winterzeit zu einem deutlich entspanntem Stadterleben zu Fuß.



Radfahrstreifen im 2-Richtungsverkehr, nur noch ein Fahrstreifen für den motorisierten Verkehr in der Rue de Rivoli im 1. Arr. in der Nähe des Louvre


Zu den Bausteinen der Verkehrswende zählen mit wenigen Ausnahmen Tempo 30 in der gesamten Stadt, Zufahrtsbeschränkungen für Fahrzeuge mit Verbrennermotor (Umweltzonen), die weitere Verzahnung des Nahverkehrs mit dem Umland sowie auch die drastische Erhöhung der Parkgebühren für schwere Pkw.

 

Daneben werden öffentlichkeitswirksam eher kleinräumige und für den Erholungswert in der Innenstadt wertvolle, jedoch vermutlich stadtökologisch insgesamt eher unbedeutsame Projekte wie der Umbau des Platzes vor dem Rathaus zum mittlerweile dritten innerstädtischem 'Stadtwald' (forêt urbaine)

realisiert. 


Der Vorplatz wurde jahrelang im Winter in eine Eislaufbahn vor imposanter Fassade des Hôtel de Ville verwandelt, dort wurden Sportveranstaltungen übertragen oder er diente als Konzertort (ja, genau dort, wo im Laufe der Jahrhunderte auch als seinerzeit Place de Grève schon mal öffentliche Hinrichtungen per Guillotine stattfanden).




Die Platzfläche vor dem Rathaus (im Rücken) vor dem Umbau: Hier wird ein Stadtwald aus 90 Bäumen entstehen


Bis 2025 soll für rd. 6 Mio Euro (!) dort auf 2.500 qm mit der Pflanzung von 90 Bäumen und 20.000 Sträuchern und Farnen ein Stadtwald entstehen als „Kampf gegen den Klimawandel“ und als Grün- und Erholungsraum. Neben einheimischen Baumarten wie Eichen und Hainbuchen sollen auch Arten aus dem Zukunftsbaumsortiment gepflanzt werden: Dazu zählen Celtis (Zürgelbaum) und Gleditsia (Lederhülsenbaum). Die Pflanzqualität ist mit „fünfzehn bis fünfundzwanzig Jahre“ angegeben – die Wurzelsysteme seien für diese bereits größeren Bäume vorbereitet.

 

Dies sind vermutlich die genau Bäume, die Bernhard von Ehren, Chef der Baumschule Lorenz von Ehren, mit den fünf—und sechsmal verschulten Bäumen meint, die seine Baumschule nach Paris sendet.

 

Von Ehren spricht in der Ausgabe des Hamburger Abendblatts vom 10.01.2025 auf einer Doppelseite in der Rubrik Was wird aus Hamburg unter der Überschrift „Nur grüne Städte machen glücklich“ (stimmt!) und vertritt die Baumschullobby mit auch unserer Prämisse

 

„Bäume sind in der Zukunft kein Nice-to-have, sondern ein Must-have“.

 

In Deutschland pflanze man üblicherweise dreimal verschulte Bäume mit einem Stammumfang von 14 bis 20 cm. Diese Bäume im Alter von 8 bis 14 Jahren kosten 300 bis 800 Euro. „Anders als Hamburg pflanzen London oder Paris dabei ältere und größere Bäume. Dafür stehen dann fertige große Bäume in der Stadt, in der bald die erste Amsel in der Krone brütet“. Solche Pflanzungen werteten ganze Stadtteile auf. Ein großer Baum beginne bei ungefähr 1300 Euro.

 

Mit dem Stadtwald vor dem Hôtel de Ville in Paris verhält es sich ähnlich wie mit dem auch von von Ehren (= Lieferant) hochgelobten Umbau des Hochbunkers am Heiligengeistfeld – der Bunker auf St. Pauli sei ein großartiges Beispiel für einen ökologischen Stadtumbau.




Der begrünte Hochbunker im Stadtteil St. Pauli ist ein weiterer Touristenmagnet der Stadt Hamburg. Die Begrünung kann allerdings gerade nicht als großartiges Beispiel für einen ökologischen Stadtumbau dienen, da diese Art von Dachbegrünung angesichts des gewaltigen Aufwandes (jahrelange Vorkultivierung der Gehölze, Aufwand und Kosten in der Herstellung) und des außerordentlich aufwändigen Langzeitpflegebedürfnisses definitiv keinen Vorbildcharakter hat. Als Leistungsschau einer großen Baumschule ist die Begrünung bewundernswert.


Die Signalwirkung solcher Projekte ist nicht zu unterschätzen – der ökologische Wert sollte hingegen bitteschön nicht überschätzt werden. Der begrünte Hochbunker ist eine weitere Touristenattraktion für Hamburg, mit der wie selbstverständlich auch Geld verdient werden soll/ muss (Hotel, Restaurant, Bar, Eventhalle). Die ökologische Wirkung der unglaublich aufwändigen Dachbegrünung in 40 bis 60 m Höhe wird für den Stadtteil auf Bewohner-Normalnullhöhe gegen Null tendieren. 


Die Bunkerbegrünung zählt ganz eindeutig in die Kategorie „Nice to have“ - aber auch "teuer to unterhalt".

 

Die Abholzung von 49 alten, jedoch meist gesunden, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bunker das Heiligengeistfeld säumenden Bäume im Zuge einer Neuverpachtung der Fläche als Parkplatzerweiterung (!) durch die Finanz- und Wirtschaftsbehörde im Jahr 2023 wird das Bunkergrün niemals aufwiegen können – ebensowenig wie den Verlust des für die Wohnbevölkerung nutzbaren Stadtraums.

 

Wie aber verhält es sich bei Schwarzbrot-projekten abseits dieser sehr besonderen Projekte, bei denen auch hierzulande die seitens der Baumschule von Ehren (kraft Sortiment und Geschäftsausrichtung) sehr wohl diese „großen Bäume“ ausgeschrieben und gepflanzt werden?

 

Zumindest für das Beispiel Paris stelle ich unter Einschätzung des erreichten Standes der Technik von hiesiger Landschaftsarchitektur und Landschaftsbau (siehe den mittlerweile gewaltigen FLL-Publikations-kanon) mit Blick auf die Straßenbäume einen ausgesprochen erschreckenden Stand fest.

Denn auch auf einer privaten Städtereise lässt sich der berufsprofessionelle Blick leider nicht ganz ausschalten:

 

Paris hat in Sachen Stadtgrün aus meiner Sicht und anders als es bei von Ehren anklingt, viel Nachholbedarf


Das beginnt bei der üblichen Vollversiegelung von Fassade zu Fassade mit Asphalt, auf denen kleine, meist kreisrunde Baumscheiben ausgestochen sind, aus denen Bäume wachsen (müssen), die aber gleichzeitig, wenn sie nicht gerade durch lose, kippelnde, verkantete und mit Zigarrettenkippen und Hundesch***e vollgerfüllte Gussroste abgedeckt werden, als Teil der Gehwegfläche im wahrsten Sinne unmittelbar und unumgänglich ‚zugelatscht‘ (= verdichtet) werden.




Eine typische Gehwegfläche auf einer der Seine-Inseln, die statt wie sonst ganz überwiegend asphaltiert hier mit Natursteinplatten ausgeführt wurde: Die Fugen werden mit einer Mörtelmischung zugeschmiert, in die dann nachträglich Scheinfugen eingekratzt werden. Schade um das schöne Natursteinmaterial - und schade um die zwar geringe, aber doch vorhandene Versickerungsleistung von den hierzulande üblichen Sand-/ Brechsandfugen


Von Ansätzen einer ‚Schwammstadt‘ (ville éponge oder ville perméable, diese Bezeichnungen gibt’s tatsächlich auch im Französischen) scheint Paris meiner Einschätzung nach sehr viel weiter entfernt als eine Stadt wie Hamburg, die schon aus der Vergangenheit über mehr und größere Freiflächen verfügt. Gehwege sind hierzulande ganz überwiegend zumindest teildurchlässig mit Platten- und Pflasterflächen mit Sandfuge befestigt.

 

Bei den wenigen in der Pariser Innenstadt neu- und ersatzgepflanzten Bäume, an denen wir in vier Tagen vorbeigelaufen sind, handelt es sich mitnichten um die von Ehrenschen favorisierten „großen Bäumen“, in denen schon bald die Amsel brütet.




Baumersatzpflanzung auf dem Boulevard de Magenta: Ganz offensichtlich weder eine große Qualität noch ein Alleebaum-Kronenansatz. Aber an den Baumschutz wurde gedacht!



Baumersatzpflanzung 1. und 2. Versuch am Place d' Anvers:
Die noch junge Ersatzpflanzung im Bild links hat offenbar nicht überlebt: Stand Winter 2025 wurde (Bild rechts) neu gepflanzt und alle 'guten' Zutaten verwendet: Schlammboden, Zweibock mit Befestigungsstrip, mit dem sich wohl ein junges Rosenstämmchen sicher anbinden ließe, eine Gehölzqualität aus dem S-Kurvenquartier einer 'Baumschule' (Kronenansatz < 1,80 m) plus meine persönliche Lieblingszutat der Nutzlosigkeit, dem Drainschlauchschnorchel, der in Paris stets liebevoll an das Baumstämmchen geknotet wird. Für den Fußgängerverkehr bleiben beidseitig des Gießrandkraters vielleicht 60 cm befestigte Fläche. Viel Glück, kleiner Baum!


Bei den dort zu besichtigenden Neupflanzungen stellt sich schon die Frage, ob diese Gehölze überhaupt in einer Baumschule kultiviert wurden. Nach diesen Eindrücken bin ich mir sicher: Paris hat es leicht, von einem sehr schlechten Ausgangspunkt in Sachen Bäume aufzuholen.


Wir sind in Deutschland auf diesem Gebiet deutlich weiter und offensichtlich auch professioneller aufgestellt - und vielleicht es wird hierzulande mit den Qualitäten gelegentlich sogar zu weit getrieben (bitte nocheinmal kurz an die Schrabkwand mit den FLL-Ristlinien denken...). Dieser Eindruck lässt sich aus Paris mitnehmen, wo trotz offenkundigem Laissez-faire in Sachen Pflanzqualität entlang der Boulevards beachtliches Straßengrün gewachsen ist.



 

Straßenbäume in der Avenue Bosquet in der Nähe des Eifelturms: Interessante Gehölzqualitäten (siehe z.B. den neugepflanzten Baum am linken Bildrand) - trotzdem eine ausgewachsene Straßenbaumbegrünung



Zurücklehnen ist trotzdem keine Option – denn neben zusätzlicher Durchgrünung und Entsiegelung der Stadtlandschaft stellt sich hierzulande vor allem die Frage nach Erhalt und Pflege des wertvollen bestehenden Grüns und der damit verbundenen Kosten. Und hier wiederholen wir Bernhard von Ehren gerne:

 

„Bäume sind in der Zukunft kein Nice-to-have, sondern ein Must-have“




Veröffentlicht in Pflanzen, Klima, Politik am 10.01.2025 12:00 Uhr.

Heuschnupfen-Bäume

Umgang mit allergenen Bäumen im öffentlichen Raum

Wer an das Klima in unseren Städten denkt, landet recht schnell bei den Wohlfahrtswirkungen des Stadtgrüns – und hier insbesondere der Stadtbäume.

 

Was sollen die Bäume nicht alles für uns tun:

  • Schatten spenden
  • Stadtklima kühlen
  • Kohlendioxid binden
  • Sauerstoff produzieren
  • Feinstaub binden
  • gestalterisch wirken
  • Insektenfreundlich sein
  • Vogelfreundlich sein
  • einen hohen Biodiversitätswert aufweisen
  • Vorgaben aus dem Naturschutz erfüllen (z.B. sei heimisch!)
  • Sich als Straßenbaum eignen (Lichtraumprofil, Art des Wurzelwerks)
  • Keinen ‚Dreck‘ machen
  • Vital bleiben trotz oftmals miserabler Standortbedingungen

 

Für das Übereinstimmungsspiel zur Eingrenzung in Frage kommender Arten für die jeweilige Pflanzaufgabe werden die Faktoren Eigenschaften x Standort gekreuzt.

 

Ein für zahlreiche Stadtmenschen für das eigene Wohlbefinden im täglichen Leben wichtiger Punkt kommt in dieser Matrix meist zu kurz:


  • kein allergenes Potenzial mitbringen





Die verstärkte Pflanzung von 

Taschentuchbäumen (Davidia involucrata) 

wird nur wenig Aufwiedersehenswirkung und Linderung für die Pollenbelastung während der Heuschnupfensaison bringen...



Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) hat sich in einer Veröffentlichung von 2015 gemeinsam mit dem Umweltbundesamt mit der Frage beschäftigt, wie Städte und Kommunen allergene Pflanzen im öffentlichen Raum reduzieren können, um diese weitere Eigenschaft für Stadtbäume zu fördern, nämlich die allergene Belastung durch Pflanzung bestimmter Bäume nicht noch zu verstärken.

 

Die Studie weist darauf hin, dass allergische Reaktionen durch die spezielle Situation im städtischen Raum mit einer teils hohen Konzentration an Ozon, Luftschadstoffen und Feinstaub verstärkt und heftiger auftreten.


Je nach untersuchtem Allergiepotenzial stufen die Autoren für das Beispiel Stadtraum Berlin Baumarten in zwei Kategorien ein:

 

Kategorie 1 listet Bäume auf, die nach Studienlage vordringlich nicht angepflanzt werden sollten.


In Kategorie 2 werden solche Bäume gestuft, die ‚nach Möglichkeit‘ nicht neu angepflanzt werden sollten.




Birken: Pollenschleuder der Kategorie 1: 

Im öffentlichen Raum vordringlich nicht mehr anpflanzen?



Neben den die Kategorie 1 bildenden bekannten Pollenschleudern Betula (Birke) und Corylus colurna (Baumhasel) tauchen in Kategorie 2 auch typische Straßenbaumarten wie Carpinus betulus (Hainbuche), Platanus x acerifolia (Platane) und die Gruppe der Eichen (Q. petraea, Q. robur, Q. rubra)  auf – allesamt windbestäubte Baumarten.

 

Schließlich listet eine Positivliste für das Beispiel Berlin aus allergologischer Sicht geeignete Baumgattungen und -arten zur Verwendung im Straßenraum auf. Alle Tabellen und Listen können hier in der Ursprungsveröffentlichung von 2015 nachgelesen werden.



Zieht man von dieser Liste diejenigen Baumarten ab, die sich aus anderen Gründen in der Pflanzenverwendung nicht als Straßen-Stadtbäume eignen (hier: Einstufung als ‚nicht geeignet‘ für Straßenbaumpflanzungen lt. GALK-Liste), so bleiben folgende der gelisteten Baumgattungen/ -arten der übrig:

 

  • Acer, Acer campestre, Acer platanoides , Acer rubrum
  • Magnolia kobus
  • Malus
  • Populus, Populus x canadensis, Populus nigra ‘Italica‘, Populus simonii
  • Prunus padus ‘Schloß Tiefurt‘
  • Pyrus calleryana ‘Chanticleer’
  • Sorbus, Sorbus aria, Sorbus intermedia
  • Tilia, Tilia Americana, Tilia cordata i.S., Tilia europaea i.S., Tilia tomentosa, Tilia x euchlora

 

Mit Blick auf das allergologische Auswahlkriterium für die Baumartenauswahl lässt sich somit festhalten, dass – zunächst unabhängig anderer Auswahlkriterien – die Gattungen Acer, Aesculus, Crataegus, Gleditsia, Magnolia, Malus, Populus, Prunus, Pyrus, Robinia, Sorbus, Tilia und Ulmus geeignet sind.

 

Bei Verknüpfung der Eigenschaft ‚allergologische Eignung‘ mit dem ebenfalls vieldiskutierten Attribut ‚insektenfreundlich‘ bleiben die typischerweise insektenbestäubten Baumarten übrig, oft erkennbar an ihren auffälligen Blüten.

 

Die urzeitgeschichtlich gegenüber vielen Insekten älteren Magnolien sowie die windbestäubten Populus fallen aus der vorgenannten Gruppe heraus (keine Nektarien), wobei Pappeln einerseits ein guter früher Pollenlieferant sind und heimische Pappelarten wichtiger Lebensraum für Käfer- und Schmetterlingsarten sind. 


Pappelpollen gelten trotz lokal großer Pollenmengen als eher schwach allergen. Die ‚Pappelwatte‘, die im Frühjahr teils in Massen fliegt, trägt den Samen der Pappel und löst keine allergischen Symptome aus.




Blatt und Fruchtstände von Alnus x spaethii: 

Notorischer Früh-Pollenverteiler




Ist die Prioisierung der allergologischen Eignung von Straßenbaumarten wirklich sinnvoll? Oder spielt diese Eigenschaft womöglich nur bei speziellen Pflanzsituationen eine entscheidende Rolle?

 

Gerade mit Blick auf die Diskussion um Zukunftsbäume für die Stadt, die womöglich damit verbundene Einengung der Artenauswahlmöglichkeiten sowie mit Blick auf die Biodiversität und vielfältigen Standortvoraussetzungen lässt sich eine solche Verengung auf nur wenige Arten im Grunde genommen nicht rechtfertigen. Die durch Pollenflug zunehmend heftigeren allergischen Reaktionen sind auch Folge der sich insgesamt verschlechternden Luftqualität – zu deren Verbesserung Bäume in der Stadt ja gerade beitragen sollen.

 

Hinzu kommt der überwältigende Baumbestand an Straßenbäumen und - vor allem- die noch viel größere Zahl an Gehölzen auf Privatgrund. Die Pollenlast, die aus diesen Grünstrukturen stammt, wird strukturell durch Windverwehung immer für eine hohe Grundlast sorgen – fast egal, welche Straßenbaumart nachgepflanzt wird.

 

Die Deutsche Straßenamtsleiterkonferenz (GALK), ein Zusammenschluss der kommunalen Grünflächenverwaltungen, hat sich 2012 in einem Positionspapier zu diesem Spannungsfeld geäußert:



"Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass Allergien weit verbreitet sind und von einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen ausgehen. Würde somit jedem Allergiker gegenüber seinem Nachbarn ein Anspruch auf Beseitigung der Allergie auslösenden Bepflanzung in seiner näheren Umgebung zugestanden, so würde hiermit den Interessen der Allgemeinheit zuwidergelaufen. (…) Ein Allergiker kann nicht erwarten, dass grundsätzlich seine überdurchschnittliche Empfindlichkeit zum Maßstab für die zulässige Nutzung einer Gegend allgemein gemacht wird. (…)


Abschließend ist zu betonen, dass die Bäume selbst nicht das Problem bilden, sondern diese nur auf Umwelteinflüsse reagieren, indem sie mehr Pollen mit aggressiveren Proteinen bilden. Ein Ansatzpunkt wäre daher, die Standortbedingungen für die Bäume zu verbessern. Ferner bildet die steigende Empfindlichkeit der Menschen gegenüber Allergien ein Problem, für das Gegenstrategien zu entwickeln sind."

aus: Positionspapier Pollenallergien, GALK - Arbeitskreis Stadtbäume, November 2012



Die Wegwägung der Verwendung bestimmter Baumarten aufgrund ihrer bekannten allergologischen Wirkung könnte womöglich mit Blick auf besonders früh bzw. spät blühende Arten sinnvoll sein, um die Heuschnupfensaison nicht unnötig zu verlängern.

 

Hier lassen sich vor allem zwei Baumarten identifizieren, die auch Teil des Zukunftsbaumsortiments sind: Alnus x spaethii (Purpur-Erle) sowie Corylus colurna (Baum-Hasel). Beide Baumarten lassen die Pollenflugsaison je nach Witterung bereits Ende November beginnen.

 

Generell trägt jede Baumpflanzung in der Stadt durch ihre Wohlfahrtswirkungen dazu bei, Kleinklima und Luftqualität für alle Menschen in der Stadt zu verbessern – und damit auch für Heuschnupfengeplagte.





Veröffentlicht in Pflanzen, Planung, Pflanzenverwendung am 13.09.2024 11:00 Uhr.

So bleibt der Garten grün

Wie Sie Ihr Grundstück vor Trockenheit und Starkregen schützen

Dürre im Garten - was kann helfen?


"So trotzen Sie der Dürre" lautet der Titelseiten-Aufmacher der Welt am Sonntag-Ausgabe Nr. 35 vom 01. September 2024: Ein spannendes und wichtiges Thema, das zahlreiche Gartenfans und Grundstückseigentümer sicherlich sehr interessiert – mich eingeschlossen. 


Schließlich beschäftigt sich eine ganze (nämlich die Grüne) Branche mit Planung und Bau von Außenanlagen, standortgerechter Pflanzenverwendung sowie Lieferung, Pflanzung und Pflege geeigneter Pflanzen, also der praktischen Umsetzung.

 

Diese Dienstleistung erfordert nicht nur schön gezeichnete Pläne, sondern auch viel Erfahrung, Pflanzenkenntnisse und gelegentlich eine gute Portion Überzeugungskraft im Kundengespräch.

 

Umso besser, wenn aktuelle Gartenthemen in reichweitenstarken Medien wie der WamS aufgegriffen und journalistisch zumindest als gut verständlicher Einstieg in bestimmte Themen aufbereitet werden. 


Neben dem Dauerbrenner Kirschlorbeer gut/ böse gehört beispielsweise das Thema Rasen/ Rasenpflege unbedingt dazu und wird ausgesprochen regelmäßig behandelt.

 

Nun also: Schutz vor Trockenheit und Starkregen: „So trotzen Sie der Dürre“



 


So stellt sich KI den vor Dürre- und Starkregen geschützen Garten vor (Prompts: meadow with an underground cistern, hedges, trees, thyme, 

rosemary, no lawn)


In dem Beitrag kommen zu Wort:

 

-      die Gartenexpertin eines Naturschutzverbandes

-      die Verantwortliche des Nachhaltigkeitsprogramms eines Gartengeräteherstellers

-      die Juristin einer Rechtschutz-Versicherung

-      die Spezialistin für Wohneigentumserwerb einer Bausparkasse


Die Tipps lassen sich wie folgt zusammenfassen:



Tipps der Expertin des Naturschutzverbandes:

 

-      passenden Bewuchs wählen wie „Färber-Ginster, Sand-Thymian, Sedum und Sommer-Adonisröschen“

-      statt kurzflorigem, immerdurstigem und ökologisch wertlosem Zierrasen Anlage einer Wiese mit Wildblumen und Kräutern

-      Hecken und Sträucher als guten Schutz vor Sonne und Wind pflanzen

-      Gartengelände mit welligem Profil anlegen, damit sich in den Senken Regenwasser sammeln kann, das langsam versickert

-      „Kraterbeete“ für Gemüse anlegen (sehr ausführlich beschrieben, mit Skizze)

 


Tipps der Verantwortlichen des Nachhaltigkeits-programms eines Gartengeräteherstellers:

 

-      Bäume pflanzen, vorhandene Bäume stehen lassen: „Bäume spenden kühlenden Schatten und sind wie mehrjährige Stauden Nahrung und Heimat für Tiere“

-      „Schritt für Schritt gelingt der Wandel auch, solange man das Ziel im Blick hat“

 


Tipps der Juristin:

 

-      So wenig Boden wie möglich versiegeln, stattdessen Kies, Rasengittersteine, Splitt oder Schotter zur Oberflächenbefestigung verwenden, diese Beläge heizen sich im Sommer auch nicht so stark auf „und sind ökologisch wertvoller“

 


Tipps der Spezialistin für Wohneigentumserwerb:



-      Geringer Versiegelungsgrad spart Herstellungskosten und (je nach kommunaler Satzung) kann zu Reduzierung/ Entfall der Niederschlagsgebühr führen

-      Regenwasser auffangen, möglichst in größerer Zisterne: „die ressourcenschonende Anschaffung erhöht auch den Wert des Grundstücks“

 


Alles richtig und nachvollziehbar, auch wenn für den konkreten Garten-Einzelfall und in bloßer Addition möglicherweise vollkommen unbrauchbar.

 

Konkrete und ganz einfache wie naheliegende gärtnerische Tipps für den laufenden Gartenbetrieb fehlen allerdings – wie z.B. Hinweis auf richtiges Gießen, die Vorteile von Komposterde und Mulch für den Bodenwasserhaushalt oder – für den Bereich Gemüsegarten – die Bedeutung des Hackens des Bodens für die Unterbrechung der an die Oberfläche führenden Kapillaren zur Reduzierung der Evaporation.

 

Zur Grünen Branche zähle ich an dieser Stelle den Produktionsgartenbau, den Garten- und Landschaftsbau und die Landschaftsarchitektur. So gesehen erscheint es fast unglaublich, dass das Wissen der Grünen Branche auch Naturschutzexpertise, Nachhaltigkeitsverantwortlichkeit, Juristerei und Immobilienfachleutewissen umfasst und mitbringt. 


Und dass aus der Fülle von "Expertentipps“ am Ende ein fertiges Paket einschließlich Gartenästhetik geschnürt und das Ganze auch noch dargestellt, berechnet, produziert und gebauleitet wird!

 

Seltsam, dass der Redakteur dieses Artikels nicht auf die Idee gekommen ist, einfach auch einen Vertreter der Grünen Branche zu diesem für die Branche sehr aktuellen Thema zu befragen…

 




KI und Haare schön von den Experten für Frisuren: Sogar mit doppelschneidiger Schere



Lautete die Überschrift

 

So bleiben die Haare schön: Wie Sie ihre Frisur vor Überlänge und Vergrauung schützen

 

wären dann wohl Gärtner (haben Scheren und Sägen) und Maler (machen was mit Farbe) die ersten Ansprechpartner?




Veröffentlicht in Pflanzen, Klima, Politik am 04.09.2024 10:00 Uhr.

Pflanzenverbote: Immer wieder Kirschlorbeer

Der Schweizer Bundesrat hat beschlossen: Ab 01. September 2024 sind Verkauf, Weitergabe und Einfuhr von Kirschlorbeer verboten. Was hat es damit auf sich und was sagen wir als Pflanzenproduzent auch von Kirschlorbeer dazu?

Kirschlorbeerpflanzen bei uns im Folienhaus: 

Die Schweiz ist raus



Wenn ab 01. September 2024 Verkauf, Weitergabe und Einfuhr bestimmter als invasiv gebietsfremd geltenden Pflanzenarten verboten wird, dann betrifft das neben Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) auch weitere, teils prominente Gehölze der Pflanzenverwendung, die jedoch bei den zahlreichen Zeitungsredakteuren, die in den vergangenen Wochen über das Verbot berichtet haben, wohl nicht ganz so bekannt sind wie der Kirschlorbeer.


Gesetzliche Grundlage dazu ist die sogenannte Freisetzungsverordnung.


Im Anhang zu dieser Verordnung sind in zwei Listen auch weit verbreitete Gartenpflanzen gelistet:


Anhang 2.1

Invasive gebietsfremde Organismen mit Umgangsverbot (grundsätzlicher Ausschluss der Verwendung – Verbot der Vermehrung/ Inverkehrbringung, Auswahl:


  • Ailanthus altissima (Götterbaum)
  • Celastrus orbiculatus (Baumwürger)
  • Rhus typhina (Essig-Baum)



Anhang 2.2

Verbotsliste invasiver gebietsfremder Organismen (Verbot für das Inverkehrbringen), Auswahl:

 

  • Buddleja davidii (Schmetterlingsstrauch)
  • Cotoneaster horiziontalis (Korallenstrauch)
  • Lonicera henryi (Immergrünes Geißblatt)
  • Parthenocissus quinquefolia (Gewöhnliche Jungfernrebe)
  • Paulownia tomentosa (Blauglockenbaum)
  • Phyllostachys aurea (Gold-Bambus)
  • Prunus laurocerasus (Kirschlorbeer)
  • Prunus serotina (Späte Traubenkirsche)
  • Pseudosasa japonica (Japanischer Bambus)




Buddleja davidii - in der Schweiz künftig verboten



Wesentlich mit Blick auf Produktionszahlen und Verbreitung erscheinen die Listungen von Kirschlorbeer und Schmetterlingsstrauch – also von zwei nicht nur sehr verbreiteten, sondern auch bekannten Arten und im Fall des Schmetterlingsstrauches zunächst offenkundig paradoxem Verbot. 


Gerade dieses Gehölz wird von vielen Gartenfans als ‚gut für die Insekten‘ eingeschätzt, gepflanzt und bewundert. Und zwar in erster Linie auch von Menschen, die sonst vielleicht gar nicht so sehr auf Pflanzen achten. 


Die Ächtung des Schmetterlingsstrauches könnte dem Thema insektenfreundlicher Garten insofern einen Bärendienst erweisen, wenn Buddleja davidii bisher quasi als Archetyp und Einsteigermodell eines insektenfreundlichen Gartens verstanden wurde.



Das Schweizer Verbot hat das Ziel, die Verbreitung zusätzlicher als invasiv geltende gebietsfremde Arten in die Umwelt zu verhindern. Die Frage des Umgangs mit invasiven Arten lässt sich diskutieren, Stichwort Kolumbus-Effekt:


Mit der Entdeckung Amerikas begann eine weltweite Verflechtung, die sich zur Globalisierung weiterentwickelt hat. Mit der Wareneinfuhr wurden seit 1492 auch fremde Flora und Fauna in Gebiete eingeführt, in denen sie bis dahin nicht vorkamen.


Das von Thünen-Institut hat 2015 unter dem Titel Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten (Vor, Spellmann, Bolte und Ammer, Hrsg., Universitätsverlag Göttingen) Baumartenportraits mit einer naturschutzfachlichen Bewertung veröffentlicht.


Zu diesen eingeführten Baumarten zählt auch der auf der Schweizer Umgangsverbotsliste 2.1 gelistete Essigbaum (Rhus typhina) charakterisieren die Wissenschaftler als „kurzlebiges Pioniergehölz“. 



Ökologisch betrachtet besiedele der Essigbaum hierzulande in der Regel ruderale Standorte oder stark gestörte Landschaftsräume. In den durch Ausläufer gebildeten Horsten könnten sich aufgrund der großen Wurzelkonkurrenz kaum andere Pflanzen etablieren. Andererseits könnten sich die Horste nicht unbegrenzt ausdehnen und es könnten keine Reinbestände auf großen Flächen gebildet werden. 




Als Pflanzenverwender oute ich mich: Ich mag Essigbäume - in der Pflanzenproduktion der Baumschule Bradfisch spielt Rhus typhina keine Rolle



Die Gefährdung der Biodiversität und die Invasivität wird differenziert eingeschätzt: Einerseits lägen die durch den Essigbaum gefährdeten Landschaftselemente in Mitteleuropa fast ausschließlich außerhalb geschlossener Waldbestände und an Waldrändern (hoher Lichtbedarf!). Auf ebendiesen Flächen, die typischerweise der natürlichen Sukzession unterlägen, seien Maßnahmen zum Schutz seltener Arten und zur Offenhaltung der Landschaftsstruktur notwendig. Rhus gelte etwa in Serbien als invasiv und dominiere dort lokal Ruderalbestände. In geschützten Wäldern komme die Art jedoch nicht vor.



Und Kirschlorbeer?


Diese Art wird in der vorgenannten Publikation nicht behandelt. Deren Verbreitung erfolgt in der Regel über die Bewurzelung von unfachmännisch oder illegal entsorgtem Schnittgut oder durch die Ausscheidung von Samen von Vögeln gefressener Beeren. Unsere eigenen Beobachtungen zur Invasivität von Kirschlorbeer beschränken sich im norddeutschen Raum auf den Wiederaustrieb von Schnittgut.




Junge Kirschlorbeerpflanzen in 

Benachbarung zur 'Mutterpflanze' - 

die Ausbreitung erfolgte hier offensichtlich 

durch die Bewurzelung von nicht 

vollständig entferntem Schnittgut 

- kein Wunder, dass Kirschlorbeer 

zu den günstigsten Heckengehölzen zählt: 

Die Stecklinge bewurzelt i.d.R. problemlos



In der Europäischen Union taucht Kirschlorbeer in der als sog. ‚Unionsliste‘ geführten Liste invasiver gebietsfremder Arten (Stand 2022) im Unterschied zum berüchtigten Götterbaum (Ailanthus altissima) bislang nicht auf.


Verkauf und Pflanzung von Kirschlorbeer sind und bleiben innerhalb der Europäischen Union uneingeschränkt erlaubt. In der Schweiz, die bekanntermaßen kein Mitglied der EU ist, scheint ein Problem mit Kirschlorbeer und weiteren typischen Gartengehölzen zu bestehen, das ab September 2024 zu vorbeschriebenen Verboten führt.


Die Studienlage zur Invasivität von Kirschlorbeer in hiesigen Wäldern ist dünn. Allerdings gibt es eine Studie des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Titel Etablierung von Kirschlorbeer in mitteleuropäischen Wäldern, in deren Ergebnis Kirschlorbeer auch hierzulande ein hohes invasives Potenzial zugeschrieben wird und so eine dauerhafte Veränderung der Artenzusammensetzung und Waldstruktur wahrscheinlich erscheinen lasse.


Eine Kurzzusammenfassung der Studie lässt sich über diesen Link auf den Seiten des idw - Informationsdienst Wirtschaft - nachlesen.


Als Hauptgrund für die zunehmende Etablierung von Kirschlorbeer in Wäldern werden die durchschnittlich gestiegenen Wintertemperaturen des eigentlich frostempfindlichen Kirschlorbeers vermutet. Kirschlorbeer sei Konkurrent für alle weiteren Unterholz bildenden Arten. Durch Veränderung der Bodenchemie könne die Pflanze auch für Bodenorganismen ungünstige Auswirkungen haben.



Als Pflanzenproduzent und somit mitverantwortlicher Spieler im Kirschlorbeerkosmos sollten wir nicht in einen Whataboutismus-Modus schalten, sondern lieber aufklären und Empfehlungen für geeignete oder sogar bessere Alternativen aussprechen.


Aufklärung scheint auch der erste Ansatz des Bundesumweltministeriums zu sein, das bereits im Jahr 2021 zum Management invasiver gebietsfremder Arten einen rd. 70 Seiten starken Aktionsplan erstellt hat. Darin werden mit Blick auf unterschiedliche sog. ‚Pfade‘ der Verbreitung invasiver und gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten jeweils Maßnahmenvorschläge für unterschiedliche beteiligte Akteure aufgezählt.


Für den Bereich der Baumschulen und Gärtnereien bedeutet dies u.a. die Berücksichtigung der Thematik auch in Berufsausbildung und Weiterbildung, die Information über rechtliche Bestimmungen und Aufklärung über Möglichkeiten zur Prävention.


Mehr Informationen zum durch das Schweizer Verbot hochgekochte Kirschlorbeer-Thema finden Sie auf unserer Webseite um Thema Pflanzenverwendung hier:

 

Böse Hecken: Thuja und Kirschlorbeer roden und verbieten?




Verbote, Vorschriften und die Sache mit der Reaktanz


Als Reaktanz wird eine sozialpsychologische Abwehrreaktion bezeichnet: Wird etwas verboten, dann wird mir mein Freiheitsspielraum eingeschränkt. Gerade die Wahlmöglichkeit, die eingeschränkt wird, erhält eine Aufwertung. Bekannte Beispiele aus der Politik sind die Idee des Veggie-Days, die überarbeiteten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft zur Ernährung (DGE) zur Beschränkung des Verzehrs auf ein Hühnerei pro Woche oder der erste Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG, "Heizungsgesetz").


Der ndr problematisiert auf seiner Webseite invasive Arten im Garten (Link): "Darum sind sie problematisch".


Dort wird aufgeklärt (Unterschied zwischen Neophyten und invasiven Neophyten), andererseits aber auch undifferenziert verallgemeinert. Sprechen wir von Gärten im ländlichen Siedlungsraum oder von Gärten in urbanen und suburbanen Bereichen? Welche Lebensräume werden durch invasive Neophyten konkret bedroht? Es sind i.d.R. Sonderstandorte für an die besonderen Bedingungen spezialisierte (heimische) Pflanzen, die aber eher nicht in der unmittelbaren Umgebung urbaner Gärten zu finden sind. Beispiel Essigbaum als invasiver Neophyt:


Selbst der größte Ausläuferbildner unter den Essigbäumen wird es nicht einmal über die nächste Kreuzung schaffen. Das passiert nur, wenn Gartenabfälle direkt in der Natur/ freien Landschaft entsorgt werden.


Für die Pflanzenwelt in Gärten mit ganz anderen Standortverhältnissen im Vergleich zur freien Landschaft bleibt im Licht der Klimaveränderungen der andere große Zusammenhang: Welche Arten können im Garten zu einem stabilen pflanzlichen Grundgerüst beitragen und künftig ohne automatische Beregnung und ohne Pflanzenschutzmaßnahmen überhaupt überleben?


Was den Schutz seltener oder spezialisierter Insekten angeht, die in enger ökologischer Beziehung zu speziellen Pflanzen stehen, so wird es auch bei konsequentem Verzicht auf Neophyten nicht gelingen, eine Art von Wunschinsektenpopulation anzusiedeln. Deren Lebensräume reichen in der Regel über die im urbanen/ suburbanen eng geschnittenen Gartengrenzen hinaus.


Als Pflanzenproduzent auch von Kirschlorbeerarten vertreten wir die Meinung, dass auch eine Hecke aus Kirschlorbeer im (wohlgemerkt urbanen, niemals aber ländlichen!) Siedlungsbereich für Tier- und Insektenwelt allemal wertvoller ist als keine Hecke oder die offenbar invasive Verbreitung von Doppelstabgitter-zäunen mit ‚Lappenbehang‘ in Gärten. 




Whataboutismus für Kirschlorbeer-Produzenten: Doppelstabgitterzäune mit Lappenbehang,

Isolation hinter Frischhaltefolie



Diese Frischhaltefolienlösung ist nicht nur gartenästhetisch und für das Ortsbild eine Katastrophe, sondern bedeutet für Lebensräume im Siedlungsgebiet, die sich gerade durch miteinander verbundene Gärten und Grünflächen auszeichnen, eine überaus starke Barrierewirkung. 


Welches Verhältnis zur Natur, zu Lebewesen und zum Gartenverständnis drücken derartige "Gestaltungen" des eigenen unmittelbaren Stückchens Grün aus?

 

Kirschlorbeer und mit ihnen im Schlepptau Glanzmispeln (Photinia) und Portugiesische Lorbeerkirsche (Prunus lusitanica 'Angustifolia') halten wir als Pflanzenproduzent und Pflanzenverwender in unseren Gärten aus gartengestalterischen wie gartenästhetischen Gründen für verzichtbar.


Ganz sicher jedoch werden Kirschlorbeer et al. der Biodiversität im Garten nicht den Rest geben, wenn Stauden, Gräsern, Gehölzen und ‚wilde Ecken‘ als ein vielfältiges und abwechslungsreiches Mosaik einen insektenfreundlichen Garten bilden. Diese Mischung macht’s, Zäune tun dies nicht, Pflanzenverbote aus unserer Sicht auch nicht.





Veröffentlicht in Pflanzenverwendung am 13.06.2024 10:00 Uhr.

Hainbuchensorte als erstklassiger Herbstfärber

Die Sorte 'Rockhampton Red' befördert Carpinus betulus in die Riege hervorragender Herbstfärber

Hochstämme von Carpinus betulus 'Rockhampton Red' 
mit rot-oranger Herbstfärbung in unserem Quartier

Werden „die Gehölzneuheiten des Jahres“ auf Messen und dann in Fachzeitschriften ausgerufen, drücken viele Pflanzenverwender gedanklich die Snooze-Taste. Denn bis sich eine Gehölzneuheit tatsächlich am Markt etabliert, dauert es Jahre bis mitunter Jahrzehnte. Etabliert bedeutet: Es gibt sowohl qualitativ wie auch quantitativ eine ausreichende Menge am Markt. Oder die Neuheit setzt sich nicht durch und wird nicht weiter kultiviert. 


Auf der IPM als größte Pflanzenmesse hierzulande wurde im Jahr 2023 im Wettbewerb “IPM Neuheit 2023“ des ZVG (Zentralverband Gartenbau) durch eine Fachjury in der Kategorie Gehölze Acer campestre ‘Street Pillar‘ ausgezeichnet. Eingereicht wurde diese Sortenzüchtung von der holländischen Baumschule L.B. Ruijgrok aus Randwijk. 


Neben den bekannt guten Eigenschaften der Art Acer campestre, die ihn zur Gruppe der Zukunftsbäume zählen lässt , zeichnet sich ‘Street Pillar‘ durch einen schmal-säulenförmigen Kronenhabitus aus. Wir sind gespannt, wann und ob sich ‘Street Pillar‘ im Alleebaumsortiment durchsetzt. 


Im Jahr 2015  lautete das Gewinner-Gehölz des ‚Neuheiten Schaufensters‘ zwar Rhododendron ‘Bloombux‘. Mit Carpinus betulus ‘Rockhampton Red‘ wurde wie mit 'Street Pillar' eine interessante Sorte einer ebenfalls bewährten Baumart vorgestellt, die sich offensichtlich langsam am Markt etablieren kann – denn mittlerweile zählt ‘Rockhampton Red‘ auch zu unserem Baumsortiment, wenn auch in überschaubaren Stückzahlen. Und die Sorte ist Teil der im Jahr 2021 begonnenen Carpinus-Sichtung.


Dieses Gehölz möchten wir Ihnen ausdrücklich ans Herz legen! 



Doch der Reihe nach:

 

Entdeckt wurde die Sorte in den frühen 1990er Jahren zwischen einer großen Anzahl von Carpinus-Sämlingen im Quartier der Baumschule Mount Pleasant Tree Nursery in Gloucestershire, England


Die Baumschule schreibt dazu:

 

“This stunning patented cultivar, discovered here in the early nineties, grows like our common hornbeam but its leaves turn orange and red each autumn. Its seasonal show is up there with many of the better known (but generally more diffcult to grow) autumn colouring favourites.”


„Diese atemberaubende patentierte Sorte, die hier Anfang der 90er Jahre entdeckt wurde, wächst wie unsere Hainbuche, ihre Blätter verfärben sich jedoch jeden Herbst orange und rot. Die Herbstfärbung spielt in einer Liga mit vielen bekannteren (aber üblicherweise schwieriger zu kultivierenden) Herbstfärberfavoriten.“





Färbervergleich: Links 'Rockhampton Red', 

rechts 'Frans Fontaine' 

(Bilder vom 05.11.2023)



Eine Hainbuche mit einer Herbstfärbung in lebhaften roten und rot-orangen Farbtönen – bei ansonsten gleichen Eigenschaften der Art: Das ist für die Pflanzenverwendung definitiv ein Punkt und ein Hingucker im Herbst! Wir denken schon weiter an Carpinus betulus ‘Rockhampton Red‘- Hecken …






Die Vermehrung erfolgt (leider) nicht über die bei Carpinus übliche Aussaat, sondern in erster Linie über Veredlung, so dass Heckenpflanzen preislich auch aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit noch über der Liga der veredelten Blut-Buche Fagus sylvatica ‘Atropunicea‘ spielen dürften.

 

Als Hochstamm/ Alleebaum sind bei dieser Sorte Lizenzgebühren und eine Knappheit am Markt einzupreisen, so dass 'Rockhampton Red' (wie viele Sorten) teurer als das Massenprodukt der Art ist. Wir können diesen interessanten Baum als Hochstamm 3xv mDb in Größen von StU 14-16 bis 18-20 anbieten.






Veröffentlicht in Pflanzen am 08.11.2023 8:16 Uhr.

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Inh.: Bettina Stoldt, Dipl.-Ing. agr. (FH)

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