Heuschnupfen-Bäume
Wer an das Klima in unseren Städten denkt, landet recht schnell bei den Wohlfahrtswirkungen des Stadtgrüns – und hier insbesondere der Stadtbäume.
Was sollen die Bäume nicht alles für uns tun:
- Schatten spenden
- Stadtklima kühlen
- Kohlendioxid binden
- Sauerstoff produzieren
- Feinstaub binden
- gestalterisch wirken
- Insektenfreundlich sein
- Vogelfreundlich sein
- einen hohen Biodiversitätswert aufweisen
- Vorgaben aus dem Naturschutz erfüllen (z.B. sei heimisch!)
- Sich als Straßenbaum eignen (Lichtraumprofil, Art des Wurzelwerks)
- Keinen ‚Dreck‘ machen
- Vital bleiben trotz oftmals miserabler Standortbedingungen
Für das Übereinstimmungsspiel zur Eingrenzung in Frage kommender Arten für die jeweilige Pflanzaufgabe werden die Faktoren Eigenschaften x Standort gekreuzt.
Ein für zahlreiche Stadtmenschen für das eigene Wohlbefinden im täglichen Leben wichtiger Punkt kommt in dieser Matrix meist zu kurz:
- kein allergenes Potenzial mitbringen
Die verstärkte Pflanzung von
Taschentuchbäumen (Davidia involucrata)
wird nur wenig Aufwiedersehenswirkung und Linderung für die Pollenbelastung während der Heuschnupfensaison bringen...
Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) hat sich in
einer Veröffentlichung von 2015 gemeinsam mit dem Umweltbundesamt mit der Frage
beschäftigt, wie Städte und Kommunen allergene Pflanzen im öffentlichen Raum
reduzieren können, um diese weitere Eigenschaft für Stadtbäume zu fördern, nämlich die allergene Belastung durch Pflanzung bestimmter Bäume nicht noch zu verstärken.
Die Studie weist darauf hin, dass allergische Reaktionen durch die spezielle Situation im städtischen Raum mit einer teils hohen Konzentration an Ozon, Luftschadstoffen und Feinstaub verstärkt und heftiger auftreten.
Je nach untersuchtem Allergiepotenzial stufen die Autoren für das Beispiel Stadtraum Berlin Baumarten in zwei Kategorien ein:
Kategorie 1 listet Bäume auf, die nach Studienlage vordringlich nicht angepflanzt werden sollten.
In Kategorie 2 werden solche Bäume gestuft, die ‚nach
Möglichkeit‘ nicht neu angepflanzt werden sollten.
Birken: Pollenschleuder der Kategorie 1:
Im öffentlichen Raum vordringlich nicht mehr anpflanzen?
Neben den die Kategorie 1 bildenden bekannten Pollenschleudern Betula (Birke) und Corylus colurna (Baumhasel) tauchen in Kategorie 2 auch typische Straßenbaumarten wie Carpinus betulus (Hainbuche), Platanus x acerifolia (Platane) und die Gruppe der Eichen (Q. petraea, Q. robur, Q. rubra) auf – allesamt windbestäubte Baumarten.
Schließlich listet eine Positivliste
für das Beispiel Berlin aus allergologischer Sicht geeignete Baumgattungen und
-arten zur Verwendung im Straßenraum auf. Alle Tabellen und Listen können hier in der Ursprungsveröffentlichung von 2015 nachgelesen werden.
Zieht man von dieser Liste diejenigen Baumarten ab, die sich aus anderen Gründen in der Pflanzenverwendung nicht als Straßen-Stadtbäume eignen (hier: Einstufung als ‚nicht geeignet‘ für Straßenbaumpflanzungen lt. GALK-Liste), so bleiben folgende der gelisteten Baumgattungen/ -arten der übrig:
- Acer, Acer campestre, Acer platanoides , Acer rubrum
- Magnolia kobus
- Malus
- Populus, Populus x canadensis, Populus nigra ‘Italica‘, Populus simonii
- Prunus padus ‘Schloß Tiefurt‘
- Pyrus calleryana ‘Chanticleer’
- Sorbus, Sorbus aria, Sorbus intermedia
- Tilia, Tilia Americana, Tilia cordata i.S., Tilia europaea i.S., Tilia tomentosa, Tilia x euchlora
Mit Blick auf das allergologische Auswahlkriterium für die Baumartenauswahl lässt sich somit festhalten, dass – zunächst unabhängig anderer Auswahlkriterien – die Gattungen Acer, Aesculus, Crataegus, Gleditsia, Magnolia, Malus, Populus, Prunus, Pyrus, Robinia, Sorbus, Tilia und Ulmus geeignet sind.
Bei Verknüpfung der Eigenschaft ‚allergologische Eignung‘ mit dem ebenfalls vieldiskutierten Attribut ‚insektenfreundlich‘ bleiben die typischerweise insektenbestäubten Baumarten übrig, oft erkennbar an ihren auffälligen Blüten.
Die urzeitgeschichtlich gegenüber vielen Insekten älteren Magnolien sowie die windbestäubten Populus fallen aus der vorgenannten Gruppe heraus (keine Nektarien), wobei Pappeln einerseits ein guter früher Pollenlieferant sind und heimische Pappelarten wichtiger Lebensraum für Käfer- und Schmetterlingsarten sind.
Pappelpollen gelten trotz lokal großer Pollenmengen als eher schwach allergen. Die ‚Pappelwatte‘, die im Frühjahr teils in Massen fliegt, trägt den Samen der Pappel und löst keine allergischen Symptome aus.
Blatt und Fruchtstände von Alnus x spaethii:
Notorischer Früh-Pollenverteiler
Ist die Prioisierung der allergologischen Eignung von Straßenbaumarten wirklich sinnvoll? Oder spielt diese Eigenschaft womöglich nur bei speziellen Pflanzsituationen eine entscheidende Rolle?
Gerade mit Blick auf die Diskussion um Zukunftsbäume für die Stadt, die womöglich damit verbundene Einengung der Artenauswahlmöglichkeiten sowie mit Blick auf die Biodiversität und vielfältigen Standortvoraussetzungen lässt sich eine solche Verengung auf nur wenige Arten im Grunde genommen nicht rechtfertigen. Die durch Pollenflug zunehmend heftigeren allergischen Reaktionen sind auch Folge der sich insgesamt verschlechternden Luftqualität – zu deren Verbesserung Bäume in der Stadt ja gerade beitragen sollen.
Hinzu kommt der überwältigende Baumbestand an Straßenbäumen und - vor allem- die noch viel größere Zahl an Gehölzen auf Privatgrund. Die Pollenlast, die aus diesen Grünstrukturen stammt, wird strukturell durch Windverwehung immer für eine hohe Grundlast sorgen – fast egal, welche Straßenbaumart nachgepflanzt wird.
Die Deutsche Straßenamtsleiterkonferenz (GALK), ein Zusammenschluss der kommunalen Grünflächenverwaltungen, hat sich 2012 in einem Positionspapier zu diesem Spannungsfeld geäußert:
"Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass Allergien weit verbreitet sind und von einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen ausgehen. Würde somit jedem Allergiker gegenüber seinem Nachbarn ein Anspruch auf Beseitigung der Allergie auslösenden Bepflanzung in seiner näheren Umgebung zugestanden, so würde hiermit den Interessen der Allgemeinheit zuwidergelaufen. (…) Ein Allergiker kann nicht erwarten, dass grundsätzlich seine überdurchschnittliche Empfindlichkeit zum Maßstab für die zulässige Nutzung einer Gegend allgemein gemacht wird. (…)
Abschließend ist zu betonen, dass die Bäume selbst nicht das Problem bilden, sondern diese nur auf Umwelteinflüsse reagieren, indem sie mehr Pollen mit aggressiveren Proteinen bilden. Ein Ansatzpunkt wäre daher, die Standortbedingungen für die Bäume zu verbessern. Ferner bildet die steigende Empfindlichkeit der Menschen gegenüber Allergien ein Problem, für das Gegenstrategien zu entwickeln sind."
aus: Positionspapier Pollenallergien, GALK - Arbeitskreis Stadtbäume, November 2012
Die Wegwägung der Verwendung bestimmter Baumarten aufgrund ihrer bekannten allergologischen Wirkung könnte womöglich mit Blick auf besonders früh bzw. spät blühende Arten sinnvoll sein, um die Heuschnupfensaison nicht unnötig zu verlängern.
Hier lassen sich vor allem zwei Baumarten identifizieren, die auch Teil des Zukunftsbaumsortiments sind: Alnus x spaethii (Purpur-Erle) sowie Corylus colurna (Baum-Hasel). Beide Baumarten lassen die Pollenflugsaison je nach Witterung bereits Ende November beginnen.
Generell trägt jede Baumpflanzung in der Stadt durch ihre Wohlfahrtswirkungen dazu bei, Kleinklima und Luftqualität für alle Menschen in der Stadt zu verbessern – und damit auch für Heuschnupfengeplagte.
Veröffentlicht in Pflanzen, Planung, Pflanzenverwendung am 13.09.2024 11:00 Uhr.