Alles Gute zum Ruhestand, Frau Eisen!
Veröffentlicht in BAumschule am 01.10.2024 9:00 Uhr.
Veröffentlicht in BAumschule am 01.10.2024 9:00 Uhr.
Wer an das Klima in unseren Städten denkt, landet recht schnell bei den Wohlfahrtswirkungen des Stadtgrüns – und hier insbesondere der Stadtbäume.
Was sollen die Bäume nicht alles für uns tun:
Für das Übereinstimmungsspiel zur Eingrenzung in Frage kommender Arten für die jeweilige Pflanzaufgabe werden die Faktoren Eigenschaften x Standort gekreuzt.
Ein für zahlreiche Stadtmenschen für das eigene Wohlbefinden im täglichen Leben wichtiger Punkt kommt in dieser Matrix meist zu kurz:
Die verstärkte Pflanzung von
Taschentuchbäumen (Davidia involucrata)
wird nur wenig Aufwiedersehenswirkung und Linderung für die Pollenbelastung während der Heuschnupfensaison bringen...
Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) hat sich in
einer Veröffentlichung von 2015 gemeinsam mit dem Umweltbundesamt mit der Frage
beschäftigt, wie Städte und Kommunen allergene Pflanzen im öffentlichen Raum
reduzieren können, um diese weitere Eigenschaft für Stadtbäume zu fördern, nämlich die allergene Belastung durch Pflanzung bestimmter Bäume nicht noch zu verstärken.
Die Studie weist darauf hin, dass allergische Reaktionen durch die spezielle Situation im städtischen Raum mit einer teils hohen Konzentration an Ozon, Luftschadstoffen und Feinstaub verstärkt und heftiger auftreten.
Je nach untersuchtem Allergiepotenzial stufen die Autoren für das Beispiel Stadtraum Berlin Baumarten in zwei Kategorien ein:
Kategorie 1 listet Bäume auf, die nach Studienlage vordringlich nicht angepflanzt werden sollten.
In Kategorie 2 werden solche Bäume gestuft, die ‚nach
Möglichkeit‘ nicht neu angepflanzt werden sollten.
Birken: Pollenschleuder der Kategorie 1:
Im öffentlichen Raum vordringlich nicht mehr anpflanzen?
Neben den die Kategorie 1 bildenden bekannten Pollenschleudern Betula (Birke) und Corylus colurna (Baumhasel) tauchen in Kategorie 2 auch typische Straßenbaumarten wie Carpinus betulus (Hainbuche), Platanus x acerifolia (Platane) und die Gruppe der Eichen (Q. petraea, Q. robur, Q. rubra) auf – allesamt windbestäubte Baumarten.
Schließlich listet eine Positivliste
für das Beispiel Berlin aus allergologischer Sicht geeignete Baumgattungen und
-arten zur Verwendung im Straßenraum auf. Alle Tabellen und Listen können hier in der Ursprungsveröffentlichung von 2015 nachgelesen werden.
Zieht man von dieser Liste diejenigen Baumarten ab, die sich aus anderen Gründen in der Pflanzenverwendung nicht als Straßen-Stadtbäume eignen (hier: Einstufung als ‚nicht geeignet‘ für Straßenbaumpflanzungen lt. GALK-Liste), so bleiben folgende der gelisteten Baumgattungen/ -arten der übrig:
Mit Blick auf das allergologische Auswahlkriterium für die Baumartenauswahl lässt sich somit festhalten, dass – zunächst unabhängig anderer Auswahlkriterien – die Gattungen Acer, Aesculus, Crataegus, Gleditsia, Magnolia, Malus, Populus, Prunus, Pyrus, Robinia, Sorbus, Tilia und Ulmus geeignet sind.
Bei Verknüpfung der Eigenschaft ‚allergologische Eignung‘ mit dem ebenfalls vieldiskutierten Attribut ‚insektenfreundlich‘ bleiben die typischerweise insektenbestäubten Baumarten übrig, oft erkennbar an ihren auffälligen Blüten.
Die urzeitgeschichtlich gegenüber vielen Insekten älteren Magnolien sowie die windbestäubten Populus fallen aus der vorgenannten Gruppe heraus (keine Nektarien), wobei Pappeln einerseits ein guter früher Pollenlieferant sind und heimische Pappelarten wichtiger Lebensraum für Käfer- und Schmetterlingsarten sind.
Pappelpollen gelten trotz lokal großer Pollenmengen als eher schwach allergen. Die ‚Pappelwatte‘, die im Frühjahr teils in Massen fliegt, trägt den Samen der Pappel und löst keine allergischen Symptome aus.
Blatt und Fruchtstände von Alnus x spaethii:
Notorischer Früh-Pollenverteiler
Ist die Prioisierung der allergologischen Eignung von Straßenbaumarten wirklich sinnvoll? Oder spielt diese Eigenschaft womöglich nur bei speziellen Pflanzsituationen eine entscheidende Rolle?
Gerade mit Blick auf die Diskussion um Zukunftsbäume für die Stadt, die womöglich damit verbundene Einengung der Artenauswahlmöglichkeiten sowie mit Blick auf die Biodiversität und vielfältigen Standortvoraussetzungen lässt sich eine solche Verengung auf nur wenige Arten im Grunde genommen nicht rechtfertigen. Die durch Pollenflug zunehmend heftigeren allergischen Reaktionen sind auch Folge der sich insgesamt verschlechternden Luftqualität – zu deren Verbesserung Bäume in der Stadt ja gerade beitragen sollen.
Hinzu kommt der überwältigende Baumbestand an Straßenbäumen und - vor allem- die noch viel größere Zahl an Gehölzen auf Privatgrund. Die Pollenlast, die aus diesen Grünstrukturen stammt, wird strukturell durch Windverwehung immer für eine hohe Grundlast sorgen – fast egal, welche Straßenbaumart nachgepflanzt wird.
Die Deutsche Straßenamtsleiterkonferenz (GALK), ein Zusammenschluss der kommunalen Grünflächenverwaltungen, hat sich 2012 in einem Positionspapier zu diesem Spannungsfeld geäußert:
"Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass Allergien weit verbreitet sind und von einer Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen ausgehen. Würde somit jedem Allergiker gegenüber seinem Nachbarn ein Anspruch auf Beseitigung der Allergie auslösenden Bepflanzung in seiner näheren Umgebung zugestanden, so würde hiermit den Interessen der Allgemeinheit zuwidergelaufen. (…) Ein Allergiker kann nicht erwarten, dass grundsätzlich seine überdurchschnittliche Empfindlichkeit zum Maßstab für die zulässige Nutzung einer Gegend allgemein gemacht wird. (…)
Abschließend ist zu betonen, dass die Bäume selbst nicht das Problem bilden, sondern diese nur auf Umwelteinflüsse reagieren, indem sie mehr Pollen mit aggressiveren Proteinen bilden. Ein Ansatzpunkt wäre daher, die Standortbedingungen für die Bäume zu verbessern. Ferner bildet die steigende Empfindlichkeit der Menschen gegenüber Allergien ein Problem, für das Gegenstrategien zu entwickeln sind."
aus: Positionspapier Pollenallergien, GALK - Arbeitskreis Stadtbäume, November 2012
Die Wegwägung der Verwendung bestimmter Baumarten aufgrund ihrer bekannten allergologischen Wirkung könnte womöglich mit Blick auf besonders früh bzw. spät blühende Arten sinnvoll sein, um die Heuschnupfensaison nicht unnötig zu verlängern.
Hier lassen sich vor allem zwei Baumarten identifizieren, die auch Teil des Zukunftsbaumsortiments sind: Alnus x spaethii (Purpur-Erle) sowie Corylus colurna (Baum-Hasel). Beide Baumarten lassen die Pollenflugsaison je nach Witterung bereits Ende November beginnen.
Generell trägt jede Baumpflanzung in der Stadt durch ihre Wohlfahrtswirkungen dazu bei, Kleinklima und Luftqualität für alle Menschen in der Stadt zu verbessern – und damit auch für Heuschnupfengeplagte.
Veröffentlicht in Pflanzen, Planung, Pflanzenverwendung am 13.09.2024 11:00 Uhr.
"So trotzen Sie der Dürre" lautet der Titelseiten-Aufmacher der Welt am Sonntag-Ausgabe Nr. 35 vom 01. September 2024: Ein spannendes und wichtiges Thema, das zahlreiche Gartenfans und Grundstückseigentümer sicherlich sehr interessiert – mich eingeschlossen.
Schließlich beschäftigt sich eine ganze (nämlich die Grüne) Branche mit Planung und Bau von Außenanlagen, standortgerechter Pflanzenverwendung sowie Lieferung, Pflanzung und Pflege geeigneter Pflanzen, also der praktischen Umsetzung.
Diese Dienstleistung erfordert nicht nur schön gezeichnete Pläne, sondern auch viel Erfahrung, Pflanzenkenntnisse und gelegentlich eine gute Portion Überzeugungskraft im Kundengespräch.
Umso besser, wenn aktuelle Gartenthemen in reichweitenstarken Medien wie der WamS aufgegriffen und journalistisch zumindest als gut verständlicher Einstieg in bestimmte Themen aufbereitet werden.
Neben dem Dauerbrenner Kirschlorbeer gut/ böse gehört beispielsweise das Thema Rasen/ Rasenpflege unbedingt dazu und wird ausgesprochen regelmäßig behandelt.
Nun also: Schutz vor Trockenheit und Starkregen: „So trotzen Sie der Dürre“
So stellt sich KI den vor Dürre- und Starkregen geschützen Garten vor (Prompts: meadow with an underground cistern, hedges, trees, thyme,
In dem Beitrag kommen zu Wort:
- die Gartenexpertin eines Naturschutzverbandes
- die Verantwortliche des Nachhaltigkeitsprogramms eines Gartengeräteherstellers
- die Juristin einer Rechtschutz-Versicherung
- die Spezialistin für Wohneigentumserwerb einer Bausparkasse
Die Tipps lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Tipps der Expertin des Naturschutzverbandes:
- passenden Bewuchs wählen wie „Färber-Ginster, Sand-Thymian, Sedum und Sommer-Adonisröschen“
- statt kurzflorigem, immerdurstigem und ökologisch wertlosem Zierrasen Anlage einer Wiese mit Wildblumen und Kräutern
- Hecken und Sträucher als guten Schutz vor Sonne und Wind pflanzen
- Gartengelände mit welligem Profil anlegen, damit sich in den Senken Regenwasser sammeln kann, das langsam versickert
- „Kraterbeete“ für Gemüse anlegen (sehr ausführlich beschrieben, mit Skizze)
Tipps der Verantwortlichen des Nachhaltigkeits-programms eines Gartengeräteherstellers:
- Bäume pflanzen, vorhandene Bäume stehen lassen: „Bäume spenden kühlenden Schatten und sind wie mehrjährige Stauden Nahrung und Heimat für Tiere“
- „Schritt für Schritt gelingt der Wandel auch, solange man das Ziel im Blick hat“
Tipps der Juristin:
- So wenig Boden wie möglich versiegeln, stattdessen Kies, Rasengittersteine, Splitt oder Schotter zur Oberflächenbefestigung verwenden, diese Beläge heizen sich im Sommer auch nicht so stark auf „und sind ökologisch wertvoller“
Tipps der Spezialistin für Wohneigentumserwerb:
- Geringer Versiegelungsgrad spart Herstellungskosten und (je nach kommunaler Satzung) kann zu Reduzierung/ Entfall der Niederschlagsgebühr führen
- Regenwasser auffangen, möglichst in größerer Zisterne: „die ressourcenschonende Anschaffung erhöht auch den Wert des Grundstücks“
Alles richtig und nachvollziehbar, auch wenn für den konkreten Garten-Einzelfall und in bloßer Addition möglicherweise vollkommen unbrauchbar.
Konkrete und ganz einfache wie naheliegende gärtnerische Tipps für den laufenden Gartenbetrieb fehlen allerdings – wie z.B. Hinweis auf richtiges Gießen, die Vorteile von Komposterde und Mulch für den Bodenwasserhaushalt oder – für den Bereich Gemüsegarten – die Bedeutung des Hackens des Bodens für die Unterbrechung der an die Oberfläche führenden Kapillaren zur Reduzierung der Evaporation.
Zur Grünen Branche zähle ich an dieser Stelle den Produktionsgartenbau, den Garten- und Landschaftsbau und die Landschaftsarchitektur. So gesehen erscheint es fast unglaublich, dass das Wissen der Grünen Branche auch Naturschutzexpertise, Nachhaltigkeitsverantwortlichkeit, Juristerei und Immobilienfachleutewissen umfasst und mitbringt.
Und dass aus der Fülle von "Expertentipps“ am Ende ein fertiges Paket einschließlich Gartenästhetik geschnürt und das Ganze auch noch dargestellt, berechnet, produziert und gebauleitet wird!
Seltsam, dass der Redakteur dieses Artikels nicht auf die Idee gekommen ist, einfach auch einen Vertreter der Grünen Branche zu diesem für die Branche sehr aktuellen Thema zu befragen…
KI und Haare schön von den Experten für Frisuren: Sogar mit doppelschneidiger Schere
Lautete die Überschrift
So bleiben die Haare schön: Wie Sie ihre Frisur vor Überlänge und Vergrauung schützen
wären dann wohl Gärtner (haben Scheren und Sägen) und Maler (machen was mit Farbe) die ersten Ansprechpartner?
Veröffentlicht in Pflanzen, Klima, Politik am 04.09.2024 10:00 Uhr.
„Wenn ich vor der Wahl stünde, ob ich noch einmal eine gärtnerische Karriere einschlagen sollte? Ich würde es genau so noch einmal machen!“
Das ist der Kern des persönlichen Fazits, dass unser langjähriger Betriebsleiter Eckhard Rode heute anlässlich seiner Verabschiedung gezogen hat.
Fast 18 Jahre lang war er bei uns als Betriebsleiter mit großem Engagement tätig. Als Verantwortlicher für Technik und Produktion war er Garant unserer Pflanzenqualität und hat in dieser Zeit viele Innovationen und Verbesserungen eingeführt. Der Produktion ist heute anzusehen, dass Bäume und Baumschule seine Leidenschaft sind.
Gleichzeitig hat er nach und nach ein Netzwerk in der Branche und im Gebiet aufgebaut. Kunden hat er voller Stolz die Pflanzen und Quartiere gezeigt, fachkundig erläutert und diese Erläuterungen mit zahlreichen Anekdoten gewürzt. Die vielen Verabschiedungsbesuche im Büro und guten Wünsche für den Ruhestand von Lieferanten und Kunden in den letzten Wochen waren sichtbares Zeichen seiner erfolgreichen und vertrauensvollen Netzwerkerei und des nachhaltig positiven Eindrucks, den er auf Lieferanten wie Kunden über all die Jahre gemacht hat.
Als Betriebsleiter hat er stets so im Sinne der Baumschule gehandelt, als wäre es sein eigener Laden. Stichwort eigener Laden: Auch in Sachen Mitarbeiterführung hatte Eckhard Rode ein sehr gutes Händchen, einen „guten Riecher“ und das Gen zur Teambildung. Genau dieses Team (zumindest diejenigen, die gerade nicht im Urlaub sind) hat heute im Freilichtmuseum Kiekeberg am Rande der Harburger Berge mit ihm und seiner Frau den Eintritt in den wohlverdienten Ruhestand gemeinsam gefeiert.
Michaela Neumeister übergibt das Freundebuch
als persönliches Geschenk des Teams
Nach der Verabschiedung durch die Chefin (und Überreichung eines sehr guten Baumschul-Abschlusszeugnis!) hat Eckhard Rode seinen beruflichen Weg nachgezeichnet und dabei besonders betont, wie wichtig eine gehörige Portion Spaß und der Teamgedanke in der Firma sind. Dieses Team hat für seinen nun ehemaligen Betriebsleiter zur Erinnerung ein sehr persönliches Freundebuch zusammengestellt.
Die ebenfalls überreichte Nachbildung einer Wandfliese des Alten Elbtunnels steht symbolisch für seinen vor allem in den letzten Jahren zunehmend und über die Maßen beschwerlichen Arbeitsweg durch den Elbtunnel – für den Weg nach Borstel-Hohenraden, der sich nach seinem Bekunden jedoch auch für ihn persönlich immer gelohnt habe.
Für die Baumschule wie für den Ruheständler brechen nun neue Zeiten an, die mit neuer Kreativität und neuen Erfahrungen gefüllt werden. Doch zuerst und vor allem ganz kurzfristig geht es auf die Lieblingsinsel Sylt - ein Abschiedsgeschenk, dass selbst Eckhard Rode kurz sprachlos machte.
lieber Eckhard,
auch an dieser Stelle nocheinmal ein großes Dankeschön für Deine Zeit bei der Firma Bradfisch.
Alles Gute
wünschen Bettina & das ganze Team
Veröffentlicht in Baumschule am 28.06.2024 19:45 Uhr.
Kirschlorbeerpflanzen bei uns im Folienhaus:
Die Schweiz ist raus
Wenn ab 01. September 2024 Verkauf, Weitergabe und Einfuhr bestimmter als invasiv gebietsfremd geltenden Pflanzenarten verboten wird, dann betrifft das neben Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) auch weitere, teils prominente Gehölze der Pflanzenverwendung, die jedoch bei den zahlreichen Zeitungsredakteuren, die in den vergangenen Wochen über das Verbot berichtet haben, wohl nicht ganz so bekannt sind wie der Kirschlorbeer.
Gesetzliche Grundlage dazu ist die sogenannte Freisetzungsverordnung.
Im Anhang zu dieser Verordnung sind in zwei Listen auch weit verbreitete Gartenpflanzen gelistet:
Anhang 2.1
Invasive gebietsfremde Organismen mit Umgangsverbot (grundsätzlicher Ausschluss der Verwendung – Verbot der Vermehrung/ Inverkehrbringung, Auswahl:
Anhang 2.2
Verbotsliste invasiver gebietsfremder Organismen (Verbot für das Inverkehrbringen), Auswahl:
Buddleja davidii - in der Schweiz künftig verboten
Wesentlich mit Blick auf Produktionszahlen und Verbreitung erscheinen die Listungen von Kirschlorbeer und Schmetterlingsstrauch – also von zwei nicht nur sehr verbreiteten, sondern auch bekannten Arten und im Fall des Schmetterlingsstrauches zunächst offenkundig paradoxem Verbot.
Gerade dieses Gehölz wird von vielen Gartenfans als ‚gut für die Insekten‘ eingeschätzt, gepflanzt und bewundert. Und zwar in erster Linie auch von Menschen, die sonst vielleicht gar nicht so sehr auf Pflanzen achten.
Die Ächtung des Schmetterlingsstrauches könnte dem Thema insektenfreundlicher Garten insofern einen Bärendienst erweisen, wenn Buddleja davidii bisher quasi als Archetyp und Einsteigermodell eines insektenfreundlichen Gartens verstanden wurde.
Das Schweizer Verbot hat das Ziel, die Verbreitung zusätzlicher als invasiv geltende gebietsfremde Arten in die Umwelt zu verhindern. Die Frage des Umgangs mit invasiven Arten lässt sich diskutieren, Stichwort Kolumbus-Effekt:
Mit der Entdeckung Amerikas begann eine weltweite Verflechtung, die sich zur Globalisierung weiterentwickelt hat. Mit der Wareneinfuhr wurden seit 1492 auch fremde Flora und Fauna in Gebiete eingeführt, in denen sie bis dahin nicht vorkamen.
Das von Thünen-Institut hat 2015 unter dem Titel Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten (Vor, Spellmann, Bolte und Ammer, Hrsg., Universitätsverlag Göttingen) Baumartenportraits mit einer naturschutzfachlichen Bewertung veröffentlicht.
Zu diesen eingeführten Baumarten zählt auch der auf der Schweizer Umgangsverbotsliste 2.1 gelistete Essigbaum (Rhus typhina) charakterisieren die Wissenschaftler als „kurzlebiges Pioniergehölz“.
Ökologisch betrachtet besiedele der Essigbaum hierzulande in der Regel ruderale Standorte oder stark gestörte Landschaftsräume. In den durch Ausläufer gebildeten Horsten könnten sich aufgrund der großen Wurzelkonkurrenz kaum andere Pflanzen etablieren. Andererseits könnten sich die Horste nicht unbegrenzt ausdehnen und es könnten keine Reinbestände auf großen Flächen gebildet werden.
Als Pflanzenverwender oute ich mich: Ich mag Essigbäume - in der Pflanzenproduktion der Baumschule Bradfisch spielt Rhus typhina keine Rolle
Die Gefährdung der Biodiversität und die Invasivität wird differenziert eingeschätzt: Einerseits lägen die durch den Essigbaum gefährdeten Landschaftselemente in Mitteleuropa fast ausschließlich außerhalb geschlossener Waldbestände und an Waldrändern (hoher Lichtbedarf!). Auf ebendiesen Flächen, die typischerweise der natürlichen Sukzession unterlägen, seien Maßnahmen zum Schutz seltener Arten und zur Offenhaltung der Landschaftsstruktur notwendig. Rhus gelte etwa in Serbien als invasiv und dominiere dort lokal Ruderalbestände. In geschützten Wäldern komme die Art jedoch nicht vor.
Und Kirschlorbeer?
Diese Art wird in der vorgenannten Publikation nicht behandelt. Deren Verbreitung erfolgt in der Regel über die Bewurzelung von unfachmännisch oder illegal entsorgtem Schnittgut oder durch die Ausscheidung von Samen von Vögeln gefressener Beeren. Unsere eigenen Beobachtungen zur Invasivität von Kirschlorbeer beschränken sich im norddeutschen Raum auf den Wiederaustrieb von Schnittgut.
Junge Kirschlorbeerpflanzen in
Benachbarung zur 'Mutterpflanze' -
die Ausbreitung erfolgte hier offensichtlich
durch die Bewurzelung von nicht
vollständig entferntem Schnittgut
- kein Wunder, dass Kirschlorbeer
zu den günstigsten Heckengehölzen zählt:
Die Stecklinge bewurzelt i.d.R. problemlos
In der Europäischen
Union taucht Kirschlorbeer in der als sog. ‚Unionsliste‘ geführten Liste
invasiver gebietsfremder Arten (Stand 2022) im Unterschied zum berüchtigten
Götterbaum (Ailanthus altissima) bislang nicht auf.
Verkauf und Pflanzung von Kirschlorbeer sind und bleiben innerhalb der Europäischen Union uneingeschränkt erlaubt. In der Schweiz, die bekanntermaßen kein Mitglied der EU ist, scheint ein Problem mit Kirschlorbeer und weiteren typischen Gartengehölzen zu bestehen, das ab September 2024 zu vorbeschriebenen Verboten führt.
Die Studienlage zur Invasivität von Kirschlorbeer in hiesigen Wäldern ist dünn. Allerdings gibt es eine Studie des Naturkundemuseums Stuttgart mit dem Titel Etablierung von Kirschlorbeer in mitteleuropäischen Wäldern, in deren Ergebnis Kirschlorbeer auch hierzulande ein hohes invasives Potenzial zugeschrieben wird und so eine dauerhafte Veränderung der Artenzusammensetzung und Waldstruktur wahrscheinlich erscheinen lasse.
Als Hauptgrund für die zunehmende Etablierung von Kirschlorbeer in Wäldern werden die durchschnittlich gestiegenen Wintertemperaturen des eigentlich frostempfindlichen Kirschlorbeers vermutet. Kirschlorbeer sei Konkurrent für alle weiteren Unterholz bildenden Arten. Durch Veränderung der Bodenchemie könne die Pflanze auch für Bodenorganismen ungünstige Auswirkungen haben.
Als Pflanzenproduzent und somit mitverantwortlicher Spieler im Kirschlorbeerkosmos sollten wir nicht in einen Whataboutismus-Modus schalten, sondern lieber aufklären und Empfehlungen für geeignete oder sogar bessere Alternativen aussprechen.
Aufklärung scheint auch der erste Ansatz des Bundesumweltministeriums zu sein, das bereits im Jahr 2021 zum Management invasiver gebietsfremder Arten einen rd. 70 Seiten starken Aktionsplan erstellt hat. Darin werden mit Blick auf unterschiedliche sog. ‚Pfade‘ der Verbreitung invasiver und gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten jeweils Maßnahmenvorschläge für unterschiedliche beteiligte Akteure aufgezählt.
Für den Bereich der Baumschulen und Gärtnereien bedeutet dies u.a. die Berücksichtigung der Thematik auch in Berufsausbildung und Weiterbildung, die Information über rechtliche Bestimmungen und Aufklärung über Möglichkeiten zur Prävention.
Mehr Informationen zum durch das Schweizer Verbot hochgekochte Kirschlorbeer-Thema finden Sie auf unserer Webseite um Thema Pflanzenverwendung hier:
Böse Hecken: Thuja und Kirschlorbeer roden und verbieten?
Verbote, Vorschriften und die Sache mit der Reaktanz
Als Reaktanz wird eine sozialpsychologische Abwehrreaktion bezeichnet: Wird etwas verboten, dann wird mir mein Freiheitsspielraum eingeschränkt. Gerade die Wahlmöglichkeit, die eingeschränkt wird, erhält eine Aufwertung. Bekannte Beispiele aus der Politik sind die Idee des Veggie-Days, die überarbeiteten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft zur Ernährung (DGE) zur Beschränkung des Verzehrs auf ein Hühnerei pro Woche oder der erste Entwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG, "Heizungsgesetz").
Der ndr problematisiert auf seiner Webseite invasive Arten im Garten (Link): "Darum sind sie problematisch".
Dort wird aufgeklärt (Unterschied zwischen Neophyten und invasiven Neophyten), andererseits aber auch undifferenziert verallgemeinert. Sprechen wir von Gärten im ländlichen Siedlungsraum oder von Gärten in urbanen und suburbanen Bereichen? Welche Lebensräume werden durch invasive Neophyten konkret bedroht? Es sind i.d.R. Sonderstandorte für an die besonderen Bedingungen spezialisierte (heimische) Pflanzen, die aber eher nicht in der unmittelbaren Umgebung urbaner Gärten zu finden sind. Beispiel Essigbaum als invasiver Neophyt:
Selbst der größte Ausläuferbildner unter den Essigbäumen wird es nicht einmal über die nächste Kreuzung schaffen. Das passiert nur, wenn Gartenabfälle direkt in der Natur/ freien Landschaft entsorgt werden.
Für die Pflanzenwelt in Gärten mit ganz anderen Standortverhältnissen im Vergleich zur freien Landschaft bleibt im Licht der Klimaveränderungen der andere große Zusammenhang: Welche Arten können im Garten zu einem stabilen pflanzlichen Grundgerüst beitragen und künftig ohne automatische Beregnung und ohne Pflanzenschutzmaßnahmen überhaupt überleben?
Was den Schutz seltener oder spezialisierter Insekten angeht, die in enger ökologischer Beziehung zu speziellen Pflanzen stehen, so wird es auch bei konsequentem Verzicht auf Neophyten nicht gelingen, eine Art von Wunschinsektenpopulation anzusiedeln. Deren Lebensräume reichen in der Regel über die im urbanen/ suburbanen eng geschnittenen Gartengrenzen hinaus.
Als Pflanzenproduzent auch von Kirschlorbeerarten vertreten wir die Meinung, dass auch eine Hecke aus Kirschlorbeer im (wohlgemerkt urbanen, niemals aber ländlichen!) Siedlungsbereich für Tier- und Insektenwelt allemal wertvoller ist als keine Hecke oder die offenbar invasive Verbreitung von Doppelstabgitter-zäunen mit ‚Lappenbehang‘ in Gärten.
Whataboutismus für Kirschlorbeer-Produzenten: Doppelstabgitterzäune mit Lappenbehang,
Isolation hinter Frischhaltefolie
Diese Frischhaltefolienlösung ist nicht nur gartenästhetisch und für das Ortsbild eine Katastrophe, sondern bedeutet für Lebensräume im Siedlungsgebiet, die sich gerade durch miteinander verbundene Gärten und Grünflächen auszeichnen, eine überaus starke Barrierewirkung.
Welches Verhältnis zur Natur, zu Lebewesen und zum Gartenverständnis drücken derartige "Gestaltungen" des eigenen unmittelbaren Stückchens Grün aus?
Kirschlorbeer und mit ihnen im Schlepptau Glanzmispeln (Photinia) und Portugiesische Lorbeerkirsche (Prunus lusitanica 'Angustifolia') halten wir als Pflanzenproduzent und Pflanzenverwender in unseren Gärten aus gartengestalterischen wie gartenästhetischen Gründen für verzichtbar.
Ganz sicher jedoch werden Kirschlorbeer et al. der Biodiversität im Garten nicht den Rest geben, wenn Stauden, Gräsern, Gehölzen und ‚wilde Ecken‘ als ein vielfältiges und abwechslungsreiches Mosaik einen insektenfreundlichen Garten bilden. Diese Mischung macht’s, Zäune tun dies nicht, Pflanzenverbote aus unserer Sicht auch nicht.
Veröffentlicht in Pflanzenverwendung am 13.06.2024 10:00 Uhr.